Was ist „campanilismo“?
In Italien hat das Phänomen der Kirchturmpolitik (campanilismo) eine langjährige Tradition. Ja, sie geht sogar auf die kommunale Epoche zurück (11. – 13. Jahrhundert), als selbst kleine Städte sich Staaten nannten und Türme und Kirchtürme als Symbol ihrer Macht erbauen liessen. In jener Epoche ging es soweit, dass in den grösseren Städten sich verfeindete Gruppen bildeten, die gegeneinander stritten. Die wohl bekanntesten davon waren die guelfi (Welfen, d.h. die papsttreue Partei) gegenüber den ghibellini (Waiblinger, d.h. die kaisertreue Partei). Diese Rivalitäten bestehen bis heute, wenn heute Gott sei Dank nicht mehr blutig ausgetragen.
Diese Animosität äussert sich heutzutage verbal: man zieht sich gegenseitig auf und nimmt sich auf den Arm. Selbst kleine Regionen, wie z.B. die Basilicata, belächeln das Nachbardorf und die Hauptzentren unter sich machen sich jeweils den Rang streitig.
Italien nur ein geografischer Begriff?
Dies ist wohl ein Erklärungsansatz, weshalb der Fürst Metternich 1847 gesagt haben soll, dass Italien lediglich «ein geografischer Begriff» sei! Man kann dem guten Mann nicht Unrecht geben, wenn man weiss, dass vor 1861 (Einheitsjahr Italiens) das Land aus einer Vielzahl von Staaten und Kleinstaaten bestand, die – wohlverstanden – permanent im Clinch miteinander lagen. Die Geschichte lehrt uns ja auch, dass die Einheit Italiens mehr von der politischen Intelligenz und Weitsicht von Denkern und Staatsmännern wie Mazzini und Cavour ausging, gestützt von der piemontesischen Armee und nicht so sehr vom Volkswillen. Auch erstaunt in diesem Zusammenhang nicht, dass Massimo D’Azeglio noch im Einheitsjahr 1861 sich wie folgt geäussert haben soll: «Fatta l’Italia bisogna fare gli italiani» (sinngemäss: Italien ist vollbracht, nun müssen wir noch die Italiener erschaffen)!
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